Behelfsbrücke Luitpoldanlage
THW ermöglicht mit Holz, Stahl und Muskelkraft eine Zwischenlösung
Thema des Monats: Februar 2021
Glück im Unglück: Nachdem Teile der Brücke zur Luitpoldanlage während der Sanierungsarbeiten eingestürzt waren, konnte mit Hilfe des Technischen Hilfswerks (THW) kurzfristig ein Behelfsbauwerk errichtet werden. Den direkten Weg über die Schleifermoosach zum Volksfestplatz ermöglicht seit Anfang Dezember 2020 eine sogenannte Bailey-Brücke – geschaffen mit reiner Muskelkraft und viel Erfahrung von 25 Aktiven unter Leitung der THW-Fachgruppe Brückenbau. Wann eine reguläre Brücke gebaut wird, wird der Stadtrat noch festlegen.
Schäden im Vorfeld nicht erkennbar
Für die mehr als 100 Jahre alte Brücke, die eine wichtige Verbindung zwischen Innenstadt und Luitpoldanlage darstellt, stand eine Sanierung auf dem Programm. Vor allem in den Seitenbereichen waren bei einer Prüfung Risse und Hohlstellen identifiziert worden. Der städtische Bauhof nahm Ende August 2020 die Reparaturarbeiten auf, bei denen größere Teile einstürzten. Erst jetzt wurde sichtbar, dass manche Brückenelemente anstatt aus Beton durch die Alterung nur noch aus Kies bestanden und, wie ein Statiker bestätigte, das Bauwerk somit nicht mehr zu halten war und ersetzt werden muss.
Auch wenn grundsätzlich Reste der Brücke wie die Widerlager weiterverwendet werden können: Für den Neubau ist ein aufwändiges Wasserrechtsverfahren erforderlich, außerdem verlaufen im Brückenbereich zahlreiche Versorgungsleitungen, auf die bei einer Planung Rücksicht genommen werden muss. Folglich war an eine unverzügliche Realisierung nicht zu denken. Die Stadt wollte aber möglichst rasch eine Zwischenlösung zur Verfügung stellen, damit zu Fuß oder per Rad keine unbequemen Umwege in die Luitpoldanlage, in der momentan der Freisinger Wochenmarkt beheimatet ist, in Kauf genommen werden müssen.
Spezialisiert auf Behelfsbrücken
Die Kontaktaufnahme mit dem THW Freising war naheliegend, schließlich verfügt die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation über eine eigene Fachgruppe Brückenbau – als eine von 16 Ortsverbänden bundesweit bzw. eine von neuerdings zwei Fachgruppen in ganz Bayern. Ihre Kompetenz haben die Fachkräfte auch in Freising schon unter Beweis gestellt: 2005 errichteten sie über die Isar eine 113 Meter lange Behelfsbrücke, um den Fußgänger*innen und Radfahrer*innen während der mehrmonatigen Sanierungs- und Neubauarbeiten der Korbinianbrücke lange Umwege zu ersparen. Damit Baufahrzeuge über die Moosach aufs Areal der ehemaligen Knabenschule St. Georg gelangen konnten, schlug das THW im Jahr 2011 eine Brücke über die Moosach. Zuletzt 2019 schuf die Fachgruppe eine Baustellen- und Notzufahrt zur Dombergbaustelle vom Fürstendamm zur Auwiese am Fuße des Domberg-Südhangs.
Montage in drei Tagen
„Als uns die Anfrage der Stadt erreichte, ob wir kurzfristig helfen könnten, gab es am 23. September einen Ortstermin mit dem Amt für Straßen- und Brückenbau, dem Bauhof und dem Ingenieurbüro für Tragwerksplanung“, berichtet Florian Wigger, Gruppenführer der Fachgruppe Brückenbau. Die vereinbarte Planung einer sogenannten Bailey-Brücke musste allerdings noch die wasserrechtliche Genehmigung des Landratsamts und Wasserwirtschaftsamts durchlaufen, die sich Corona-bedingt etwas verzögerte. Sobald die Erlaubnis vorlag, legten die THW-Spezialist*innen los und montierten innerhalb von drei Tagen die provisorische Brücke. Anschließend sorgte der Bauhof für eine gehsichere Beschichtung des Holzbodenbelags sowie mit Rampen für eine sichere Anbindung an das Wegenetz. Am 02. Dezember 2020 konnte die provisorische Geh- und Radwegverbindung freigegeben werden.
Gute Übung fürs THW
Für das THW sind solche Einsätze eine willkommene Gelegenheit, den Umgang mit dem Bailey-System zu üben: „Als Nischenfachgruppe haben wir nicht so oft Gelegenheit, unsere Fähigkeiten im Ernstfall zu erproben“, schildert Wigger. Wenn es wie nach der Unwetterkatastrophe im Sommer 2016 im Landkreis Rottal-Inn und in der Stadt Simbach erforderlich wird, in Windeseile drei Behelfsbrücken zur Widerherstellung der Infrastruktur zu bauen, muss jeder Handgriff sitzen. Auf dem Übungsgelände am Seilerbrückl können die ehrenamtlich engagierten Mitglieder der Fachgruppe – davon sind zehn speziell für die Errichtung von Bailey-Brücken ausgebildet – natürlich trainieren. Aufträge wie die Behelfsbrücke über die Schleifermoosach dienten dabei „der Sicherung unseres Know-hows und der Ausbildung“, so Wigger. Auch er als Verantwortlicher des Einsatzes lerne bei solchen Gelegenheiten viel.
Ideales System bei wenig Platz
Die Bailey-Brücke ist eine in Einzelteilen transportierbare Brückenkonstruktion. Sie gilt weltweit als das gängigste System und lagert auch beim THW Freising. „Ihr großer Vorteil ist, dass sie ohne den Einsatz von Maschinen mit relativ geringem Personalaufwand aufgebaut und in Betrieb genommen werden kann“, wie Wigger erläutert. „Das schwerste Teil wiegt etwa 272 Kilogramm, sodass der Transport kein schweres Gerät erfordert und der Aufbau theoretisch von Hand erfolgen kann.“ Trotz der Leichtigkeit der Bauteile verfüge sie über eine hohe Tragfähigkeit. Speziell als Ersatzbrücke zur Luitpoldanlage sei das System ideal, betont Wigger.
Dort herrschen bekanntlich enge Platzverhältnisse, zudem ist der Naturschutz zu berücksichtigen. So mussten für die Errichtung der 15 Tonnen schweren Behelfsbrücke keine Bäume gefällt oder Erde bewegt werden. Das Material wurde in die Luitpoldanlage transportiert, wo 25 Helfer*innen die Brückenkonstruktion aufbauten und diese dann auf der zuvor eingerichteten Montagebahn mittels Rolllagern über die Schleifermoosach bis zur anderen Uferseite schoben. Anschließend wurde der Holzbelag installiert und die Brücke mit Bauzaunelementen gesichert. Insgesamt drei Tage wurden für die Installation der 15,3 Meter langen und 5,5 Meter breiten Behelfsbrücke aufgewendet.
Zeitpunkt des Neubaus offen
Das Amt für Straßen- und Brückenbau hat als Standzeit der provisorischen Verbindung zunächst sechs Monate vorgesehen – mit einer Option für weitere 1,5 Jahre, wie im zuständigen Ausschuss des Stadtrats vorgeschlagen wurde. Der endgültige Neubau der Brücke kostet nach einem ersten Entwurf mit Wiederverwendung intakter Elemente schätzungsweise 190.000 Euro, wobei auch andere Lösungen noch geprüft werden. Diese Investition könnte sich die Stadt angesichts der Corona-bedingten Steuerausfälle zunächst sparen. Die stabile THW-Konstruktion würde eine längere Nutzung jedenfalls erlauben.