Publikationen
Eine der Kernaufgaben des Stadtarchives ist die historische Bildungsarbeit, in deren Rahmen verschiedene Veröffentlichungen entstehen. Ein Teil der Publikationen ist das Ergebnis unserer Forschungstätigkeit im Bereich der Geschichte der Stadt, des ehemaligen Hochstifts und der Diözese Freising; sie finden Eingang in die Reihe "Schriften des Stadtarchivs Freising". Die Reihe "Kataloge des Stadtarchivs Freising" dient der Publikation von Bild- und Textmaterial unserer Ausstellungen. Das "Archivstück des Monats" gibt alle paar Wochen einen kleinen, aber sicher feinen Einblick in die reichen Bestände des Stadtarchivs.
FRIGISINGA
Stadt und Landkreis Freising geben ab 2024 eine eigene Zeitschrift für Geschichte und Heimatpflege heraus. Sie heißt FRIGISINGA, wie das bekannte ältere Blatt, das von 1924 bis 2003 erschienen ist. In modernem Gewand werden hier die unterschiedlichsten Themen der Stadt- und Landkreisgeschichte präsentiert.
Nähere Informationen über die Zeitschrift, die Themen und die Bezugsmöglichkeiten finden Sie hier: www.frigisinga.de.
Schriften des Stadtarchivs Freising
Die Reihe "Schriften des Stadtarchivs Freising" dient der Veröffentlichung wissenschaftlicher Untersuchungen zur Geschichte der Stadt, der Diözese und des ehemaligen Hochstifts Freising. Sie wurde in den Jahren 2015/16 konzipiert.
Bisher sind folgende Bände erschienen:
Band 1: Freising als "Stadt des Bieres". Kulturgeschichtliche Aspekte
Die Produktion und der Konsum von Bier haben die wirtschaftliche, politisch-gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt Freising zwar in unterschiedlicher Intensität, aber doch stetig begleitet. Es ist ein ungemein facettenreiches Bild, das sich aus den vielerlei erhaltenen Zeugnissen in diversen Archiven und Museen zu diesem Thema ergibt. Der Band versucht, einige stadtgeschichtliche Aspekte rund ums Thema Bier näher zu beleuchten. Neben einem umfangreichen Überblick über alle historischen Brauereien in Freising werden darin folgende Themen aufgegriffen: die mittelalterlichen Quellen zum Freisinger Brauwesen, der Braubetrieb des fürstbischöflichen Hofbräuhauses im 17. und 18. Jahrhundert, die Architektur Freisinger Brauereien und Braugasthäuser des 19. Jahrhunderts, eine in den Jahren um 1900 in der Stadt existierende Steinzeugfabrik sowie die 150-jährige Geschichte der Braufakultät in Weihenstephan.
Der Band ist im Buchhandel und direkt im Stadtarchiv erhältlich (34,90 Euro).
Kataloge des Stadtarchivs
In der Reihe "Kataloge des Stadtarchivs Freising" finden die Ausstellungen des Stadtarchivs ihren publizistischen Niederschlag.
Bisher sind folgende Bände erschienen:
Band 1: Freising in der Frühzeit der Fotografie. 60 Aufnahmen der Jahre 1860 bis 1900 (2015)
Sie gehören zweifellos zu den Raritäten der Sammlungsbestände des Stadtarchivs Freising: die Fotografien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Lokale Pioniere der Fotografie wie Anton Unthal, Julius Lösch und Franz Ress haben Freising vor beziehungsweise während eines vielschichtigen gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Veränderungsprozesses ins Bild gesetzt. Der vorliegende Band präsentiert eine Auswahl von 60 Fotografien der 1860er bis 1890er Jahre. Der Kernbestand aus der Sammlung des Stadtarchivs Freising wird dabei um einige Fotografien aus den Sammlungen des Historischen Vereins Freising, der Freiwilligen Feuerwehr Freising, des Archivs des Erzbistums München und Freising, der Dombibliothek Freising sowie von privater Seite ergänzt. Jede Fotografie ist dabei mit einer eingehenden Beschreibung versehen.
Der Band ist im Buchhandel erhältlich sowie direkt im Stadtarchiv (24,90 Euro).
Band 2: Aufbruch und Umbruch. Freising in Fotografien der Jahre 1900 bis 1920 (2017)
Freising, die alte Bischofsstadt an der Isar, befand sich in den Jahren um 1900 in Aufbruchstimmung. Die Stadt wuchs deutlich über ihre alten Grenzen hinaus: Die Vorstädte wurden größer und mit der Eingemeindung des Nachbarortes Neustift konnte das Stadtgebiet erheblich erweitert werden. Partieller Wohlstand ließ auf den nordseitigen Anhöhen das neue "Villenviertel" entstehen. Gleichzeitig investierten Kirche und Staat kräftig in ihre Lehreinrichtungen auf dem Domberg bzw. auf dem Weihenstephaner Berg. Durch die Verlegung der prestigeträchtigen Eliteeinheit des 1. Jägerbataillons wurde auch der Garnisonstandort Freising gestärkt.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 hatte diese Entwicklung eine erkennbare Abschwächung erfahren. Auch in Freising veränderten der Krieg, die Revolution von 1918/19 und schließlich die neue demokratische Ordnung das politische und gesellschaftliche Leben spürbar.
Der vorliegende Band präsentiert 80 Fotografien aus städtischen und diözesanen Beständen. Prägnant und ausdrucksstark geben sie das Freising des frühen 20. Jahrhunderts wieder.
Der Band ist im Buchhandel erhältlich sowie direkt im Stadtarchiv (24,90 Euro).
Band 3: Pläne aus der Säkularisationszeit (2022)
Mit der Säkularisation 1802/03 war die Bischofsstadt Freising bayerisch geworden. Als Rechts- und Besitznachfolger des aufgelösten Hochstifts Freising verfügte der bayerische Staat nunmehr über zahlreiche hochstiftische Immobilien. Um sich einen Überblick über die neuen Besitztümer zu verschaffen, wurden die beiden Freisinger Maurermeister Mathias Rößler und Thomas Heigl beauftragt, die einzelnen Gebäude in Planzeichnungen zu erfassen. Diese „visuelle Bestandsaufnahme“ des alten Freising hat sich bis heute erhalten, größtenteils in staatlicher Überlieferung (Bayerisches Hauptstaatsarchiv) und in etwas geringerem Umfang auch im Stadtarchiv Freising.
Der kleine Katalog, der zur gleichnamigen kleinen Ausstellung erschienen ist, gibt die insgesamt acht im Stadtarchiv Freising verwahrten Planzeichnungen in DIN-A3-Format wieder. Der Band ist im Freisinger Buchhandel oder direkt beim Stadtarchiv erhältlich (7,50 Euro).
Das Archivstück des Monats
Archive gehören wohl zu den unergründlichsten Institutionen, die eine Kulturgesellschaft zu bieten hat. Aufgrund der relativ abstrakten Materie und auch der Tatsache, dass sie über viele Jahrhunderte hinweg den Blicken der Öffentlichkeit entzogen waren, hat sich ein ambivalentes Bild von Archiven herausgebildet: eine Mischung aus fantastischer Wunderkammer und feuchtem Kellergewölbe, dazwischen Archivare und Historiker, die scheinbar aus der Zeit gefallen sind und misstrauisch auf ihren Schätzen sitzen.
Ein solches Bild ist natürlich falsch. Ein Archiv wie das Freisinger Stadtarchiv ist eine öffentliche Einrichtung und eine Dienstleistungsbehörde, die in zweierlei Hinsicht für Bürgerinnen und Bürger da ist:
Zum einen, weil sie - und das ist die Hauptaufgabe des Stadtarchivs - die kontinuierliche Überlieferung des Stadtgeschehens organisiert ("records management"); alles Wesentliche, das sich in einer bestimmten Zeit im Bereich des Freisinger Stadtgebiets ereignet hat, wird idealerweise Eingang in die Überlieferung des Archivs finden und sich in den dortigen Beständen widerspiegeln. Die Überlieferungsbildung erfolgt nicht zufällig, sondern nach wissenschaftlichen Grundsätzen und detailliert ausgearbeiteten Strategien.
Zum anderen ist das Stadtarchiv für Bürgerinnen und Bürger da, indem es die Zeugnisse vergangenen Geschehens für jede und jeden Interessierte(n) bereitstellt, freilich unter Wahrung von Persönlichkeits- und Datenschutzrechten.
Die enorme Quantität und Vielfalt der einzelnen Zeugnisse machen es, wenn man nicht gerade Mitarbeiter im Stadtarchiv ist, sehr schwer, einen Überblick darüber zu erhalten, was sich im Stadtarchiv alles verbirgt. Um ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen und einen tieferen Einblick in die Bestände des Stadtarchivs zu erhalten, werden hier verschiedene Archivalien präsentiert und beschrieben. Das aktuelle Archivstück des Monats finden Sie auf unserer Startseite.
Bei Interesse können Ihnen diese Stücke auch auf Anfrage im Original im Stadtarchiv vorgelegt werden.
Januar 2023 - Erste Adresse für Liebhaber alter Bücher - Das Freisinger Antiquariat des Joseph Mozler
Bei Liebhabern antiquarischer Bücher hatte Freising im frühen 19. Jahrhundert einen exzellenten Ruf. Grund dafür war das Geschäft des Antiquars Joseph Mozler (1761-1817). Mit seinem vielfältigen Angebot an Handschriften und seltenen Drucken erschloss er einen deutschlandweiten Kundenkreis, zu dem auch prominente Gelehrte und Schriftsteller zählten – darunter Clemens Brentano.
Joseph Mozler entstammte einer Buchbinderfamilie. Sein Großvater war Buchbinder in Donauwörth gewesen, sein Vater fürstbischöflicher Hofbuchbinder in Freising. Ob er dieses Handwerk ebenfalls erlernte, ist unklar. Den Handel mit antiquarischen Büchern und Handschriften scheint Joseph Mozler jedenfalls schon in jungen Jahren betrieben zu haben, ein erster Hinweis hierzu findet sich 1782. In den Jahren vor der Säkularisation von 1802/03 waren es wohl vorwiegend Freisinger Geistliche, Angehörige des Hofstaates und Bürger, die bei Mozler eingekauft haben. Wie so viele musste er sich infolge der Säkularisation neu orientieren: Mit der Aufhebung der Freisinger Stifte und Klöster und der Auflösung des fürstbischöflichen Hofes brach Mozler wohl ein beträchtlicher Teil des bisherigen Kundenstamms weg. Zugleich erbrachte die Aufhebung zahlreicher geistlicher Einrichtungen einschließlich ihrer Bibliotheken ein einmaliges Angebot an historischen Handschriften und Büchern, die vom bayerischen Staat nicht selten zu Schleuderpreisen verkauft wurden. Damit ließen sich gute Geschäfte machen. Joseph Mozler verstand es, diese „Periode der Bücherärndte“, wie es in einem 1828 erschienene Nachruf auf ihn heißt, zu nutzen und dabei auch seinen Kundenkreis deutlich auszuweiten.
Als zunehmend wichtiges Instrument der Kundenakquise etablierte Joseph Mozler seinen Verkaufskatalog oder – wie er diesen selbst nannte – das „Verzeichniß gebundener Bücher“. Der Katalog erschien seit 1788 mehrmals im Jahr und wurde von Mozler an Interessenten im gesamten deutschsprachigen Raum versandt. Bis zu seinem Tod kamen knapp hundert Kataloge heraus. Da Mozlers Freisinger Antiquariat zu den renommiertesten deutschen Antiquariaten des frühen 19. Jahrhunderts gehörte und die Kataloge eine große Bandbreite seltener und wertvoller Buchtitel und Handschriften wiedergeben, kommt ihnen heute Bedeutung insbesondere für die Literatur- und Bibliotheksgeschichte zu. Das Stadtarchiv Freising besitzt vier Exemplare der Verkaufskataloge: Nr. 59 (1806), Nr. 61 (1807), Nr. 65 (1807) und Nr. 67 (1808). Die größte Sammlung Mozlerscher Kataloge verwahrt heute die Diözesanbibliothek des Erzbistums München und Freising.
Seit 1805 erhielt auch der Schriftsteller Clemens Brentano in Heidelberg Mozlers Kataloge. Über mehrere Jahre hinweg bestellte er in Freising Handschriften und Bücher. Im Zusammenhang mit der Arbeit an der Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, die er zusammen mit Achim von Arnim zwischen 1805 und 1808 in drei Bänden herausgab, interessierte sich Brentano vorwiegend für deutsche Liederhandschriften. Die 21 erhaltenen Briefe der Korrespondenz zwischen Clemens Brentano und Joseph Mozler, die sich heute überwiegend im Besitz der Universitätsbibliothek Heidelberg befinden, geben wichtige Hinweise zu Brentanos damaligen Interessenschwerpunkten. Der Literaturwissenschaftler Armin Schlechter konnte mehrere Lieder in den Wunderhorn-Bänden nachweisen, die Brentano von Mozler vermittelt wurden, darunter solche von Orlando di Lasso, Johann Fischart und Johannes Khuen. Welche Bedeutung Clemens Brentano dem Freisinger Antiquar beimaß, erhellt ein Brief, den er 1805 an seinen Schwager, den Juristen Friedrich Carl von Savigny, schrieb; Joseph Mozler nennt er darin einen „göttliche[n] Antiquar an Ordnung, Zutrauen, Büchermenge und Billigkeit“.
Autor: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Druckschriftensammlung, Rariora.
LITERATUR: Mayr, Anton: Der Freisinger Antiquar Joseph Mozler und seine Beziehungen zu den Heidelberger Romantikern. Eine Gedenkgabe zum 150. Geburtstage Clemens Brentanos und Friedrich Karl von Savignys, in: Frigisinga 6 (1929), S. 70-129 • Schlechter, Armin: Der Briefwechsel zwischen Clemens Brentano und dem Freisinger Antiquar Joseph Matthias Mozler, in: Bibliothek und Wissenschaft 33 (2000), S. 103-187 • Schlechter, Armin: Ediertes und nicht ediertes „Wunderhorn“-Material. Zu den Primärquellen von „Des Knaben Wunderhorn“, in: Strack, Friedrich (Hg.): 200 Jahre Heidelberger Romantik, 2008, S. 101-118.
Februar 2023 - Aus eins mach (wieder) zwei. Zur Neugestaltung der Domtürme 1962 und 1964
Dass die beiden Domtürme vor nicht allzu langer Zeit deutlich anders aussahen als heute, das scheint kaum vorstellbar – sind sie doch seit Jahrhunderten unstrittig das bedeutendste Wahrzeichen Freisings; und, so möchte man meinen, gerade deshalb über jeden Hauch von Veränderung erhaben. Tatsächlich wurden die beiden Türme aber – wie die Domkirche selbst – mehrfach umgestaltet: mindestens einmal in der Barockzeit, dann Mitte des 19. Jahrhunderts und zuletzt in den Jahren 1962 und 1964.
Die jüngste Turmneugestaltung war Teil der umfassenden Außenrenovierung der Domkirche, die von 1962 bis 1978 dauerte. Da im Fall des Domes eine staatliche Baulastpflicht gegeben ist, lag die Federführung dieser Maßnahme beim Landbauamt Freising, dem heutigen Staatlichen Bauamt. Neben notwendigen Erneuerungen am Mauerwerk und an den Dächern wurde dabei erheblich in das äußere Erscheinungsbild der Domkirche eingegriffen, sodass weniger von einer Renovierung als vielmehr von einer Neugestaltung gesprochen werden muss. In der Manier historistischer Stilpurifikationen des 19. Jahrhunderts versuchte man, sich dem Zustand vor der großen barocken Erneuerung von 1723/25 anzunähern, was die Beseitigung wesentlicher architektonischer Gestaltungselemente des 18. und 19. Jahrhunderts zur Folge hatte. Zu nennen wäre hier etwa der 1965 durchgeführte Abbruch des Westgiebels über dem Hauptportal, wodurch die stadträumliche Exklusivität der Domkirche innerhalb des Domplatz-Ensembles deutlich abgeschwächt wurde.
Der augenfälligste Eingriff betraf jedoch das Äußere der beiden Türme (Südturm: 1962, Nordturm: 1964). Hier wurde der historische Putz, der unter anderem Reste der barocken, von den Brüdern Asam entworfenen Bemalung von 1725 enthielt, vollständig abgetragen. In Anlehnung an die mittelalterliche Gestaltung hatte man statt des einen großen Schalllochs pro Turmseite wieder zwei kleinere eingefügt. Eine Turmuhr gibt es seither nur noch im Nordturm, Ziffernblätter finden sich dementsprechend an der Nord-, Ost- und Westseite des Nordturms. Deren Gestaltung und asymmetrische Anordnung orientierten sich an der Freisinger Stadtansicht von Sebastian Münster (um 1548). Stark verändert hatte man jeweils auch den Übergang zum Turmdach: Das Gesims am Ortgang, das das Dach insgesamt stärker akzentuierte, wurde ganz weggenommen. Die Schieferdeckung, die die Domtürme 1868 erhalten hatten, wurde zugunsten einer Deckung mit Kupferblech aufgegeben. Durch die Fassung des Putzes in Kalkweiß erhielten die Türme schließlich ihr markantes, uns heute vertrautes Aussehen.
Die Metamorphose der Freisinger Domtürme in den frühen 1960er Jahren lässt sich auf einer kleinen, kostbaren Serie von Farbdias nachvollziehen, die auf den Freisinger Bauingenieur Alois Lutzenberger (1904-1976) zurückgeht. Lutzenberger war beim Landbauamt Freising beschäftigt gewesen. Über mehrere Jahre hinweg gehörten die staatlichen Gebäude des Dombergs, darunter auch der Dom, zu seinem Zuständigkeitsbereich, allerdings nicht mehr in den Jahren der Neugestaltung ab 1962. Wie sein Sohn Michael berichtet, lehnte Lutzenberger die Radikalität der damaligen Baumaßnahmen ab. Die Farbdias wurden 2021 dem Stadtarchiv Freising überlassen.
AUTOR: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Fotosammlung, Serie Alois Lutzenberger.
LITERATUR: Hildebrandt, Maria / Nadler, Stefan: Freising Domkirche Mariä Geburt und St. Korbinian. Dokumentation zur Bau-, Ausstattungs- und Restaurierungsgeschichte, München 2004 (für die Zurverfügungstellung des Manuskriptes sei Frau Maria Hildebrandt, München, ausdrücklich gedankt).
März 2023 - Im Rennfieber. Zur Geschichte der Freisinger Pferderennen
Bis Ende des 20. Jahrhunderts fand in Freising mindestens einmal im Jahr ein großes Pferderennen statt. Zuletzt waren das die Rennen, die im Rahmen des Volksfestes vom Trab- und Rennverein veranstaltet wurden. Die Tradition der Freisinger Pferderennen reicht aber weiter zurück.
Eine frühe, barockzeitliche Form des Pferderennens stellte in katholischen Regionen das sogenannte Kirchenrennen dar. Es war Teil eines Kirchenfestes zu Ehren eines bestimmten Heiligen, dessen Patrozinium der Landwirtschaft, Tieren und dabei insbesondere auch Pferden galt. Nach einer feierlichen Messe, einem Umritt um die Kirche und einer Pferdesegnung versammelten sich Reiter mit ihren Pferden auf einer nahen Wiese zum Pferderennen. Zu gewinnen gab es dabei zumeist wertvolle Stoffe. Inwieweit das Rennen jeweils noch Teil des damaligen religiösen Kultes gewesen ist, darüber gibt es heute unterschiedliche Ansichten. Als ein nahes Beispiel für ein Kirchenrennen wäre das Hohenbacherner Silvesterrennen zu nennen. Es wurde am Silvestertag abgehalten. Die Rennbahn lag zwischen Hohenbachern und Vötting, als eine Art Schiedsrichter fungierte der Pfarrvikar von Weihenstephan.
Ende des 18. Jahrhunderts, in der Hochphase der Aufklärung, sowie im Zuge der bayerischen Säkularisation 1802/03 waren die Kirchenrennen vielerorts – zumindest vorübergehend – verboten worden. Pferderennen, die in einem profanen Rahmen stattfanden, gab es gleichwohl weiterhin. Ein bekanntes Beispiel dafür ist jenes Rennen, das am 17. Oktober 1810 vor den Toren Münchens anlässlich der Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Ludwig und seiner Gemahlin Therese veranstaltet wurde. Es fand bei den 40.000 Zuschauern so großen Anklang, dass es ab 1814 jährlich wiederholt und um zahlreiche weitere Attraktionen und gastronomische Einrichtungen erweitert wurde – das nachmalige „Oktoberfest“.
In Freising hören wir von einem (profanen) Pferderennen erstmals im April 1811. Zwei Brauereibesitzer, Joseph Sebastian Parth (Gößweinbräu), und Wolfgang Sporrer (Hacklbräu), traten hier als verantwortliche Organisatoren („Rennmeister“) auf. Mit der Wiederholung des Rennens im darauffolgenden Jahr, im April 1812, wurde schließlich eine Tradition begründet, die sich – mit kurzzeitigen Unterbrechungen – weit bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen sollte. Der Ablauf blieb dabei im Wesentlichen derselbe: Ein oder mehrere Freisinger Bürger, später „Renn-Komitee“ genannt, stellten jedes Jahr beim Stadtmagistrat einen Antrag auf Abhaltung eines Pferderennens. Unter Angabe von bestimmten Auflagen wurde die Genehmigung erteilt. Die Standorte für den Rennplatz wechselten; mal wurden dafür Wiesen südlich der Stadt, mal auf der anderen Seite der Isar bereitgestellt und mit Stangen und Fahnen abgesteckt. Viele Jahrzehnte hinweg fanden die Pferderennen an einem Sonntag im Frühling statt, meistens im April; erst im späten 19. Jahrhundert, als man die Rennen mit den ersten Volksfesten kombiniert hatte, im September.
Am Renntag hatten sich die teilnehmenden Reiter am Vormittag im Rathaus zu melden und eine Renngebühr zu bezahlen. Bei dieser Gelegenheit losten sie auch ihre Rennnummer. Am Nachmittag zogen die Reiter zusammen mit den Zuschauern vom Marienplatz auf den Rennplatz hinaus. Aus dem Jahr 1897 wissen wir, dass die Rennbahn dreimal umritten werden musste, was einer Strecke von etwa 1.200 Metern entsprach. Die Zahl der Reiter schwankte zwischen zehn und zwanzig. Die Zahl der Zuschauer dürfte sicherlich bei mehreren Hundert, im Lauf der Zeit wohl auch im vierstelligen Bereich gelegen sein. Da die Veranstalter überwiegend Freisinger Brauer waren, ist anzunehmen, dass neben dem Rennplatz auch ein Ausschankbereich vorhanden war. Einen Preis erhielt am Ende ein jeder Reiter. Während die vorderen Plätze mit Geldpreisen prämiert wurden, mussten sich die hinteren mit Sachpreisen begnügen. Nicht ohne Ironie wurden beim Rennen von 1811 dem letztplatzierten Reiter vier Hufeisen überreicht.
Neben Akten, einzelnen Zeitungsannoncen und Postkarten hat sich zu den Freisinger Pferderennen im Stadtarchiv ein weiteres, äußerst seltenes Dokument erhalten: eine gedruckte Ergebnisliste des Rennens vom 19. April 1812. Unter Rennnummer 4 (Drittplatzierung) findet sich der Name eines Münchners, der größere Bekanntheit erlagen sollte: Franz Xaver Krenkl (1780-1860); außer der Tatsache, dass er insgesamt 14 Mal das Oktoberfest-Pferderennen gewann, ging sein frecher Ausspruch, den er dem Kronprinzen Ludwig gegenüber äußerte, in die (bayerische) Geschichte ein: Als Krenkl Ludwigs Kutsche im Englischen Garten verbotenerweise überholte, soll er ihm zugerufen haben: „Majestät, wer ko, der ko“.
AUTOR: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, AA I, Abt. XXV, Nr. 10; ebd., Druckschriftensammlung, Rariora u. Volksfeste; ebd., Postkartensammlung; ebd., Zeitungssammlung, Freysinger Wochenblatt, 21.04.1811 u. 05.04.1812.
LITERATUR:
- Böck, Robert: Pferde- und Fußrennen im Amperland bis 1803, in: Amperland 52 (2016), S. 130-135.
- Goerge, Rudolf: Pferderennen im Amperland, in Amperland 8 (1972), S. 278-280.
- Goerge, Rudolf: Wallfahrten im Landkreis Freising. Geschichte und Gegenwart (Manuskript in der Bibliothek des Stadtarchivs Freising), 1971, hier bes. 43-46.