Mai 2017 - Plakat zur Maifeier des Freisinger SPD-Ortsvereins am 6. Mai 1900

Am 6. Mai 1900, einem Sonntag, fand die jährliche Maifeier des "Sozialdemokratischen Vereins Freising" statt. Wie schon in den Jahren zuvor beging man den Tag zunächst mit einer politischen Versammlung im Saal des Jägerwirts in der Oberen Stadt, um sich schließlich am Nachmittag dem geselligen Treiben des Maifestes in der Ausflugswirtschaft "Geflügelhof" in den ostseitigen Isarauen hinzugeben - inklusive Konzert, Preiskegelschieben und Hutstechen. Um auf den besonderen Tag aufmerksam zu machen, ließ die "Maifestkommission" des Ortsvereins in München Plakate drucken, konsequenterweise auf rotes Papier.

Ein Exemplar des Maifeier-Plakats hat sich zusammen mit dem Genehmigungsantrag des damaligen SPD-Vorsitzenden Johann Sixt in den Aktenbeständen des Stadtarchivs erhalten. Ob er es zusammen mit dem Antrag selbst übergeben hat oder ob es sich die Stadt anderweitig beschafft und entsprechend zugeordnet hat, ist nicht klar. Für den Stadtmagistrat bedeutete die Maifeier der Sozialdemokraten jedenfalls keinen alltäglichen Genehmigungsvorgang. Anders als es uns die fröhliche Stimmung, die der Plakattext vermittelt, glauben machen möchte, stand die deutsche Sozialdemokratie in jenen Jahren unter genauer Beobachtung misstrauischer staatlicher Stellen. Zwar hatte sich die Situation seit 1890 deutlich verbessert, da es im Berliner Reichstag keine Mehrheit mehr für Bismarcks scharfes "Sozialistengesetz" gab. Die Partei konnte wieder als Organisation in Erscheinung treten und bis auf die Ortsebene eigene Verbände gründen, so auch in Freising im Jahr 1894. Gleichwohl wurden für sozialdemokratische Veranstaltungen behördlicherseits nach wie vor besondere Vorkehrungen getroffen. Dies tangierte insbesondere die jährlichen Maifeiern. So lässt sich erklären, warum im Freisinger Rathaus seit 1890 (und noch bis in die Jahre des Ersten Weltkrieges hinein) jedes Frühjahr Post von der (damals königlichen) Regierung von Oberbayern eintraf, die den Stadtmagistrat aufforderte, den Ablauf der anstehenden Maifeiern aufmerksam zu begleiten und darüber Bericht zu erstatten. Über die Feier am 6. Mai 1900, zu welcher obiges Plakat einlud, hatte Bürgermeister Stephan Bierner auch das Feldartillerieregiment in der Neustifter Kaserne in Kenntnis gesetzt - freilich nur eine Vorsichtsmaßnahme. Was hatte es mit den Maifeiern der Sozialdemokraten auf sich, dass ein solcher Aufwand betrieben wurde?

Der 1. Mai als Protest- und Feiertag der sozialistisch oder sozialdemokratisch motivierten Arbeiterbewegung hatte seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten. Als "moving day", dort traditionell ein Tag von Arbeitsvertrags- und Arbeitsplatzwechseln, hatte er für das Arbeitsleben in den Staaten ohnehin eine besondere Bedeutung. Für den 1. Mai 1886 wurde von der Arbeiterschaft ein Generalstreik ausgerufen, an dem etwa 400.000 Personen aus rund 11.000 Betrieben teilnahmen. Dieser sollte sich über mehrere Tage hinziehen. In Chicago kam es dabei jedoch zu verschiedenen blutigen Vorfällen ("Haymarket Riot"). Den traurigen Höhepunkt bildete am 4. Mai ein Bombenattentat, das 18 Menschen das Leben kostete. Ohne das ihnen die Tat wirklich nachgewiesen werden konnte, wurden acht Arbeiter festgenommen und verurteilt, vier davon zum Tod durch den Strang. Die Hinrichtungen hatten bei der Arbeiterschaft der westlichen Welt zu großer Empörung und Protesten geführt. Als sich 1888 verschiedene US-Gewerkschaften entschieden, für den 1. Mai 1890 wiederum bundesweite Streiks anzusetzen, schlossen sich ihnen zunächst französische und später auch etliche deutsche Gewerkschaften an. Der 1. Mai war damit zum internationalen Protest- und Feiertag geworden.

In Freising setzte die Entwicklung etwas verspätet ein. Abgesehen von weitgehend unpolitischen Feiern des katholischen Arbeitervereins St. Joseph und einer 1891 belegten Feier des lokalen Metallarbeitervereins im Xaverienthal haben wir von einer sozialdemokratischen Maifeier erstmals im Jahr 1894 Kenntnis; der erst im Februar desselben Jahres gegründete "Socialdemokratische Wahlverein Freising" traf sich allerdings nur zu einem kleinen Familienfest. Drei Jahre später, 1897, lässt sich dann erstmals eine Kundgebung mit einem politischen Referat belegen. Von Arbeitsniederlegungen wie in anderen Städten ist in diesen Jahren nichts bekannt; um diese zu vermeiden, ist man sogar teilweise auf den ersten Mai-Sonntag ausgewichen - so auch zur Maifeier am 6. Mai 1900. Zum Zeitpunkt, als das rote Plakat in die städtischen Akten gelegt wurde, war die sozialdemokratische Maifeier - ebenso wie die Sozialdemokratie selbst - noch eine junge Institution. Welche Bedeutung beiden im Lauf des 20. Jahrhunderts zukommen sollte, ließ sich am ersten Mai-Sonntag im Jahr 1900 noch nicht abschätzen.

Bestand: Stadtarchiv Freising AA I, Abt. XVII, Nr. 26; Stadtarchiv Freising AA II, Nr. 1594.
Autor: Florian Notter
Literatur:
Braun, Horst Dieter/ Reinhold, Claudia/ Schwarz, Hanns-A. (Hg.): Vergangene Zukunft. Mutationen eines Feiertags, Berlin 1991.
Fricke, Dieter: Kleine Geschichte des 1. Mai. Die Maifeier in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, Frankfurt am Main 1980.
Marßolek, Inge (Hg.): 100 Jahre Zukunft. Zur Geschichte des 1. Mai, Frankfurt am Main/ Wien 1990.

Schuster, Dieter: Zur Geschichte des 1. Mai in Deutschland, Düsseldorf 1991.


 

Juni 2017 - Trauerrede für den Weihenstephaner Abt Ildephons

Dass es ein Kind aus einem mittelgroßen Freisinger Brauereibetrieb zu Abtwürden eines bedeutenden Benediktinerklosters bringen konnte, war kein Regelfall. Dass es dennoch möglich war, beweist die 1705 erfolgte Wahl des Johannes Huber, dem 1677 geborenen Sohn des Furtnerbräuers Balthasar Huber und seiner Frau Katharina, zum Weihenstephaner Abt Ildephons (Ordensname). Ildephons, der in München, Salzburg, Benediktbeuern und Ingolstadt studiert hatte, regierte bis zu seinem Tod 1749 das Kloster 44 Jahre lang, war dabei oberster Verwalter des umfangreichen Klosterbesitzes und oberster Richter über die Grunduntertanen von Weihenstephan, insbesondere der Klosterhofmark Vötting.

Von großer Bedeutung war seine Tätigkeit als Generalpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation, eine Position, die er insgesamt 18 Jahre lang ausfüllte. Nicht zuletzt gilt Ildephons als einer der ersten Förderer der Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam: Diese beiden ließ er den Auftrag zum Bau einer neuen Hangkapelle über dem Weihenstephaner Korbiniansbrünnlein zukommen. Die kostbare Kapelle, die auf kreisrundem Grundriss errichtet und von einer Kuppel abgeschlossen wurde, hatte man 1720 geweiht; viele Jahrzehnte später, 1804, ein Jahr nach der Säkularisation des Klosters Weihenstephan, wurde sie zerstört. Nur mehr die bis heute sichtbaren Ruinen blieben erhalten. Auch war Ildephons der Auftraggeber der Decke des so genannten "Dekanatssaals" im ehemaligen Gästetrakt des Klosters (heute TU-Verwaltung); sehr wahrscheinlich schuf die Fresken dort auch der junge Cosmas Damian Asam. Zum Bau der Lyzeums-Aula ("Asamsaal") schoss er die ansehnliche Summe von 3.000 Gulden bei. Am 31. Oktober 1749 starb Abt Ildephons infolge eines Schlaganfalls.

Die Trauerfeier fand rund einen Monat später, am 2. Dezember, in der Weihenstephaner Klosterkirche statt. Die Trauerrede hielt der Dekan des Augustiner-Chorherrenstifts Indersdorf, Benno Murschhauser (1697-1771). Wie es zu jener Zeit bei Personen in herausgehobenen Positionen üblich war, wurde die Rede gedruckt und fand auf diese Weise eine gewisse Verbreitung. Den Druck der Trauerrede für Abt Ildephons besorgte die Freisinger Hofbuchdruckerei. Ein Exemplar befindet sich in der Bibliothek des Freisinger Stadtarchivs.

Bestand: Bibliothek des Stadtarchivs Freising
Autor: Florian Notter
Literatur:
Hahn, Sylvia: Abt Ildephons Huber, in: Anneser, Sebastian/ Fahr, Friedrich/ Hahn, Sylvia/ Jocher, Norbert/ Knopp, Norbert (Hg.): Asam in Freising (Kataloge und Schriften des Diözesanmuseums für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising 45), Regensburg 2007, S. 150-152.
Steiner, Peter B.: Abt Ildephons Huber (1705-1749), in: Fahr, Friedrich/ Ramisch, Hans/ Steiner, Peter B. (Hg.): Freising. 1250 Jahre Geistliche Stadt (Kataloge und Schriften des Diözesanmuseums für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising 9), München 1989, S. 229.


 

Juli/August 2017 - Stimmzettel der Oberbürgermeisterwahl 1948

Wer vor 1952 in Bayern zum (Ober-)Bürgermeister gewählt werden wollte, brauchte nur eine Hand voll Stimmen. Die Wahl erfolgte nicht durch die wahlberechtigte Gemeinde- bzw. Stadtbevölkerung, sondern durch den Gemeinde- bzw. Stadtrat. Von einem kurzen Intermezzo zu Beginn der 1920er Jahre abgesehen gibt es die Direktwahl des (Ober-)Bürgermeisters erst seit Inkrafttreten der bayerischen Gemeindeordnung von 1952.

Als am Donnerstag, den 1. Juli 1948, um 10 Uhr vormittags 30 der insgesamt 32 frisch gewählten Freisinger Stadträte zur ersten Sitzung der neuen Wahlperiode zusammenkamen, ging es vor allem um einen Tagesordnungspunkt: die Wahl des Oberbürgermeisters. Wenn alles seinen gewohnten Verlauf genommen hätte, dann hätte der erst seit 1946 amtierende Oberbürgermeister, Rechtsanwalt Dr. Karl Wiebel, mit seiner sicheren Wiederwahl rechnen können. Es kam jedoch anders: Wiebel war in den Wochen vor der Wahl von verschiedenen Seiten, vor allem der Bayernpartei, der CSU und der KPD, schweren Anschuldigungen ausgesetzt gewesen, die sich in vollem Umfang jedoch nicht mehr rekonstruieren lassen. Aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar ist der seitens der Bayernpartei gemachte Vorwurf, Wiebel sein ein "Zuagroaster" und ein "gebürtiger Rheinländer" (tatsächlich wurde er in Unterhaching geboren). Zeitzeugen nach soll zudem der Vorwurf der persönlichen Vorteilsnahme im Raum gestanden sein. Ob dies der Wahrheit entsprach oder ob eine politische Kampagne gegen Wiebel geführt wurde, lässt sich nicht klären. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Vorgeschlagen wurde Wiebel, als man in der Sitzung vom 1. Juli 1948 zur Wahl schritt, jedenfalls nicht mehr. Die Bayernpartei benannte den parteilosen Rechtsanwalt Max Lehner als Kandidaten, der schließlich 23 Stimmen auf sich vereinen konnte (bei einer Stimme für Wiebel und sechs Enthaltungen). Das eindeutige Ergebnis lässt die Vermutung zu, dass Wiebels Sturz von einzelnen Fraktionen gut vorbereitet wurde. Der überparteilich sehr angesehene Max Lehner amtierte schließlich 22 Jahre lang, bis 1970; in den Oberbürgermeister-Wahlen von 1952, 1958 und 1964 wurde er nicht mehr vom Stadtrat, sondern von der Bevölkerung gewählt - stets mit großer Mehrheit. Aber auch die politische Karriere des Karl Wiebel ging weiter: Sechs Wochen nach seinem politischen Ende in Freising wurde er vom Stadtrat in Kaufbeuren zum Oberbürgermeister gewählt und behielt das Amt, wie Max Lehner, bis 1970.

Bestand: Stadtarchiv Freising, Akten IV (seit 1945)
Autor: Florian Notter


 

September 2017 - Festprogramm zum Freisinger Volksfest 1957

In der Freisinger "Volksfestzeit" liegen sie an gefühlt jeder Ecke der Stadt aus; kleine bunte Heftchen in DIN-A5 oder DIN-lang-Format, vorne drauf fast immer ein Bär mit einem Lebkuchenherz: das gedruckte Volksfestprogramm. Es gehört zu den nebensächlichen Dingen des traditionsreichen Freisinger Bürgerfestes. Und doch ist es, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen, unentbehrlich - bis heute, auch wenn es inzwischen digitale Alternativen gibt.

Das Programmheft ist so alt wie das Freisinger Volksfest selbst. Es wurde erstmals 1929 in den Luitpoldanlagen abgehalten (von einigen ähnlichen Festveranstaltungen in früheren Jahren einmal abgesehen). Damals war das Fest noch überwiegend von den Landwirtschafts- und Gewerbeschauveranstaltungen geprägt, wie sie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in Freising häufig zu sehen waren. So fanden im Rahmen des Volksfestes von 1929 etwa noch eine Gewerbeschau, eine Kunstausstellung, eine Obst- und Gartenbauausstellung, die "Bezirks-Bienenausstellung", die "Kreis-Geflügelausstellung", eine "Kaninchenausstellung mit Pelzmodenschau" oder auch eine "Korbweiden-Ausstellung" statt. Vergnügungseinrichtungen wie Karusselle oder andere Fahrgeschäfte spielten damals eine ganz untergeordnete Rolle.

Das war beim Volksfest von 1957 schon anders: Zwar gab es auch dort noch eine Gewerbeschau mit 15 Ausstellern sowie eine "Landw[irtschaftliche] Maschienen- und Geräteausstellung", auf der Freisinger wie Anton Schlüter, Hans Huber und Max Ismaier ihre Bulldogs präsentierten. Insgesamt dominierte das Freisinger Volksfest aber damals schon der Vergnügungsbereich mit 20 Attraktionen. Darunter ein Autoscooter, ein Kasperltheater, ein Hundetheater, ein Riesenrad, eine Geisterbahn, ein Kindermärchen- und ein Sportkaruessell sowie der "Glückshafen" des Roten Kreuzes. es wurde auffallend viel geschossen: In neun Schießhallen und -buden, die teils auch anderen Fahrgeschäften angegliedert waren, konnten die Freisinger vor 60 Jahren ihre Treffsicherheit unter Beweis stellen.
Ähnlich späteren Volksfesten gab es auch beim Volksfest des Jahres 1957 an einigen Tagen programmatische Schwerpunkte, so zum Beispiel mit dem "Kindernachmittag" - wie heutzutage am Donnerstag. Oder auch mit dem "Großen Jugend-Nachmittag" am zweiten Volksfest-Samstag, dessen Hauptattraktionen der Kinderfestzug und das abendliche Feuerwerk waren; heute heißt dieser Tag "Familientag". Der Montag-Abend war 1957 schwerpunktmäßig dem Handwerk, dem Handel und dem Gewerbe vorbehalten, der Dienstag-Abend den Arbeitnehmern und Arbeitgebern (heute am zweiten Freitag). Was es damals nicht gab, war ein Behördentag - davon gibt es heute gleich zwei: am Dienstag der "Behörden-Nachmittag" und am Donnerstag der "Abend der Behörden". Neu sind im Vergleich zu 1957 auch der "Tag des Sports" (erster Samstag) und der "Tag der Senioren" am Montag.

Zu den Höhepunkten früherer Freisinger Volksfeste gehörten Veranstaltungen, die schon seit vielen Jahrzehnten kein Teil mehr des Festprogramms sind. Darunter das eigens für die Festwoche organisierte Theaterspiel, das im Asamsaal aufgeführt wurde. 1957 lautete der Titel des Stücks "Prinzessin Eigensinn". Über lange Zeit ein prägendes Element des Freisinger Volksfestes war zudem das Reitturnier. Mit Dressurprüfungen, Jagdspringen und einem Umritt durch die Stadt dominierten Pferde und Reiter 1957 zum Beispiel das gesamte erste Volksfest-Wochenende. Einer der musikalischen Höhepunkte des Volksfestes von 1957 war der Auftritt Maria Hellwigs als "Sennerin der Hinteralm".
Was das damalige Volksfest vom heutigen außerdem unterschied, war das Bier. In einer Werbeannonce im Volksfestprogramm heißt es: "Mein lieber Freund, das rat ich Dir, zum Volksfest trinkt man Hackl-Bier". Neben dem Hofbräuhaus schenkte 1957 also auch der Hacklbräu aus - fünf Jahre später gab es diese traditionsreiche Freisinger Brauerei nicht mehr. Der Bierpreis betrug 1,60 DM.

Bestand: Stadtarchiv Freising, Druckschriftensammlung
Autor: Florian Notter


 

Oktober 2017 - Die Überlassung des Rathaussaales zur Abhaltung des ersten protestantischen Gottesdienstes in Freising (1849)

Rund 50 Meter westlich des Freisinger Bahnhofs steht die Christi-Himmelfahrts-Kirche, der Mittelpunkt des religiösen Lebens der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Freising. Mehrmals wöchentlich finden sich hier Gläubige ein, um miteinander Gottesdienst zu feiern und miteinander zu beten. Bis das allerdings eine Selbstverständlichkeit wurde, war es ein weiter Weg.

Die Geschichte der protestantischen Christen in Freising ist vergleichsweise jung. Zwar gab es in den Jahren nach Beginn der Reformation (1517) in der Stadt eine kleine, in ihrer reformatorischen Ausrichtung heterogene Anhängerschaft - doch löste sich diese aufgrund der Politik der fürstbischöflichen Regierung bereits nach kurzer Zeit wieder auf. Wie im Hochstift Freising so wurde auch im Herzogtum Bayern (und in den meisten deutschen Reichsstaaten) eine Politik betrieben, die andere Konfessionen konsequent ablehnte und deren Ausbreitung im Land unterband.

In Bayern kam es erst knapp drei Jahrhunderte später, mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (ab 1806 König Maximilian I. Joseph) im Jahr 1799, zu einer konfessionspolitischen Wende. Zu den wichtigsten Punkten seiner Reformagenda, zu deren wesentlichen Urhebern auch der Minister Maximilian Graf von Montgelas zählte, gehörte die rechtliche Gleichstellung der drei christlichen Konfessionen (Katholiken, Protestanten, Reformierte). Diese wurde durch eine Reihe von Erlassen umgesetzt und schließlich auch in der Bayerischen Verfassung von 1818 fixiert. Da die Stadt Freising seit der Säkularisation 1802/03 Teil des bayerischen Staates war, erfuhr auch die alte Bischofstadt die Vorzüge der Politik der religiösen Toleranz und der konfessionellen Parität.

In Folge dieser Reform ließen sich nun zunehmend auch in katholisch geprägten altbayerischen Regionen Protestanten oder Reformierte nieder. In der Stadt Freising wurden vermutlich um 1817/18 die ersten protestantischen Familien ansässig. Eine eigene protestantische Pfarrorganisation einschließlich einer eigenen Kirche in Freising spielte trotz der steten Zunahme des protestantischen Bevölkerungsanteils lange Zeit keine Rolle. Aufgrund eines zunächst relativ hohen protestantischen Bevölkerungsanteils auf dem Land, vor allem im und um das Ampertal, hatte man den seelsorgerlichen wie verwaltungsmäßigen Mittelpunkt der Region in kleineren Landgemeinden eingerichtet. Das auch für die Freisinger Protestanten zuständige Pfarrvikariat lag ab 1829 in Kemmoden/Petershausen, ab 1833 in Leonhardsbuch und seit 1837 in Oberallershausen. In letzterem Ort wurde 1837 die erste protestantische Kirche im Freisinger Umland geweiht. Da auch die Stadt Freising dem Sprengel des Pfarrvikariats Oberallershausen angehörte, mussten die Freisinger Protestanten einen langen Weg zurücklegen, wenn sie den Gottesdienst besuchen wollten.

Dieser unhaltbare Zustand endete in den Jahren 1848/49: Die protestantische Gemeinde Freising erhielt per Ministerial-Entschließung vom 30. November 1848 die Genehmigung, in Freising selbst abhalten zu dürfen. Es bestand nur noch die Frage, wo genau in Freising diese Gottesdienste stattfinden sollten. Dass man dabei bald an den Rathaussaal dachte, war eine logische Folge - handelte es sich damals doch um den einzig verbliebenen profanen Saal der Stadt.

Am 5. Oktober 1849 reichte die protestantische Kirchengemeinde Freising beim Stadtmagistrat einen entsprechenden Nutzungsantrag ein. Der Stadtmagistrat und auch das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten stimmten dem Antrag am 10. Oktober 1849 zu. Am Tag darauf wurde in der städtischen Kanzlei ein Konzeptschreiben ( (vgl. Abb. Hier finden Sie eine Transkription des Textes.) verfasst, dessen Reinschrift dem Kaufmann Johann David Schmidt als Vorsitzendem der protestantischen Kirchengemeinde zugestellt wurde. Bereits am Sonntag, den 21. Oktober 1849, konnte der erste (nachreformatorische) protestantische Gottesdienst in Freising gefeiert werden.

Bei dem Provisorium im Freisinger Rathaus blieb es nicht allzu lange: Da der Saal damals als eine Art Mehrzweckraum genutzt wurde, unter anderem auch vom Freisinger Turnverein, kam innerhalb der Kirchengemeinde schon bald der Gedanke auf, einen eigenen protestantischen Kirchenbau in Freising zu errichten. Nach mehreren Jahren der Suche nach einem geeigneten Bauplatz und dem Aufbau eines finanziellen Grundstocks konnte am 7. November 1862 westlich des Bahnhofs der Grundstein zu Freisings erster protestantischer Kirche gelegt werden. Am 4. September 1864 wurde sie schließlich geweiht.

Bestand: Stadtarchiv Freising, Akten II
Autor: Florian Notter


 

November 2017 - Eine Skizze zur historischen Wettersäule auf dem Marienplatz

Wer Fotografien oder Postkarten, die den Freisinger Marienplatz in den Jahren um 1900 zeigen, näher betrachtet, der wird auf der Südseite des Platzes eine dunkle, rund drei Meter hohe Säule wahrnehmen, deren Funktion sich nicht sofort erschließt. Dieses auffallende Stück gehörte über Jahrzehnte zum Freisinger Stadtmobiliar. Es handelte sich dabei um eine sogenannte Wettersäule (auch "Wetterhäuschen" oder "meteorologische Uhr" genannt).

Derartige Wettersäulen waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert groß in Mode. In erster Linie dienten sie speziellen Unternehmen dazu, im öffentlichen Raum Werbeflächen zu generieren, die sie anschließend vermieten konnten. So gesehen waren die Wettersäulen-Unternehmer Vorläufer der heutigen Außenwerbungssparte - und damit auch dem Geschäft mit den ungefähr zur selben Zeit aufkommenden Litfaßsäulen ganz ähnlich. Durch ihre ornamentierte Gestaltung und die zahlreichen informativen Beigaben vor allem zur Zeit- und Klimamessung war den Wettersäulen das vordergründige Geschäftsinteresse jedoch nicht auf den ersten Blick anzusehen.

Einer der großen deutschen Wettersäulen-Produzenten war die "Annoncen-Uhr-Actien-Gesellschaft" mit Sitz in Hamburg. Sie existierte von 1884 bis 1895. Unterm 5. Juli 1887 richtete ebendiese Gesellschaft ein Schreiben an den Freisinger Stadtmagistrat, in welchem sie für die Aufstellung einer Wettersäule in Freising warb. Dem Schreiben war ein Skizzenblatt beigefügt, dass das Standardmodell der Wettersäule der Aktiengesellschaft präsentierte: Das vermutlich gusseiserne Gehäuse wies dabei eine gotisierende Gestaltung auf, die sich besonders am Kapitell, das als Kreuzdach mit Wetterfahne ausgebildet war, äußerte. Die Giebelfelder des Kreuzdachs bestanden aus Tierreliefs, die die einzelnen Tageszeiten symbolisieren sollten. In den Schaft der Wettersäule waren mehrere praktische-informative Einrichtungen eingebaut: eine Uhr, ein Wetterbarometer, ein Thermometer sowie Anzeigen und Tabellen zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs beziehungsweise zur Tag- und Nachtlänge. In spezielle, mit Glas verschließbare Tafeln konnten zudem lokale Nachrichten, Amtsblätter oder Zugpläne ausgehängt werden. Das aus Sicht des Säulenherstellers wichtigste Element dürfen die Werbeanzeigen gewesen sein, ließen sich dadurch doch die Ausgaben für die Fabrikation und die Aufstellung refinanzieren. Eine besondere Raffinesse stellte hier der "revolvirende Apparat" dar, der durch die Mechanik des Uhrwerks betrieben wurde und dafür sorgte, dass die Werbeannoncen in kurzen Zeitabständen wechselten.

Tatsächlich sollte dieses Modell auch in Freising zur Aufstellung kommen. Nachdem der Stadtmagistrat bereits im Juli 1887 eine Genehmigung erteilt und als Aufstellungsort einen Platz an der Stadtmoosach in der Oberen Stadt (Bereich des 1905 errichteten Kriegerdenkmals) auserkoren hatte, ließ die Montage der Säule jedoch noch bis Juni 1890 auf sich warten. Als Grund für die Verzögerung nannte die Aktiengesellschaft die "Überhäufung mit Aufstellungsarbeiten" - ein Beleg für den Boom der Wettersäulen in jenen Jahren. Anders als vorgesehen wurde die Freisinger Säule nicht an der Oberen Hauptstraße, sondern vermutlich im Bereich der abgerissenen Weichselbaumwirtschaft, dem heutigen Platz am Roider-Jackl-Brunnen, errichtet. Dieser Standort erwies sich jedoch offenbar als nicht besonders geeignet. Schon wenige Tage nach der Aufstellung intervenierte der Freisinger Unternehmer Franz Paul Datterer, der ein besonderer Förderer des Projektes gewesen zu sein scheint, und forderte die Umsetzung der Wettersäule auf den Marienplatz. Hier, so seine Argumentation, könnte sie von einer deutlich größeren Menge an Leuten gesehen und benutzt werden. Von Erfolg gekrönt war Datterers Intervention schließlich erst, nachdem er der Stadt für die Zurverfügungstellung des Grundes am Marienplatz die Zahlung einer jährlichen Gebühr von drei Mark aus seinen Privatmitteln zugesichert hatte. Im Lauf des Jahres 1891 wurde die Wettersäule an die Südseite des Marienplatzes transferiert, wo sie vermutlich bis in die Jahre um 1930 stand. Über den genauen Zeitpunkt ihrer Entfernung und den weiteren Verbleib ist derzeit nichts bekannt.

Bestand: StadtAFS, Akten II, o. Sign.
Autor: Florian Notter

Literatur:
Nofze, Mathias: Bildstöcke des Industriezeitalters, in General-Anzeiger Bonn, 01.07.2009.
Payer, Peter: "Belehrender Zweck und schöne Zierde". Zur Geschichte der Wetterhäuschen in Wien, in: Die Gartenkunst 27, Nr. 2 (2015), S. 291-300.


 

Dezember 2017 - Die Eröffnung des Diözesanmuseums Freising 1974

"Das neue Diözesanmuseum bedeutet eine enorme Aufwertung für Freising. Versöhnung der Domstadt mit der Bistumsleitung - Kardinal hält sein Versprechen". So titelte das Freisinger Tagblatt in der Ausgabe vom 19. November 1974, drei Tage, nachdem das Museum feierlich seine Pforten geöffnet hat. Dieser "geschichtliche[n] Stunde" wohnte eine ansehnliche Zahl an Gästen bei. Eine kleine Gruppe prominenter Gäste konnte Fotograf Rainer Lehmann während eines Museumsrundgangs im Bild festhalten (vgl. Abb.); von links nach rechts: Domrektor Michael Höck, dahinter verdeckt Museumsdirektor Sigmund Benker, Oberbürgermeister Adolf Schäfer, Erzbischof Julius Kardinal Döpfner, Landrat Ludwig Schrittenloher und Regierungspräsident Adam Deinlein. Ihre Blicke sind auf ein Vesperbild aus dem frühen 15. Jahrhundert gerichtet.

Bei all dieser offensichtlichen Harmonie bleibt nun die Frage, warum Redakteur Gerhard Rachals damals in der Überschrift von einer "Versöhnung" zwischen Freising und der Diözesanleitung beziehungsweise vom "Versprechen" des Kardinals geschrieben hat. Um dies zu klären, muss man in der Geschichte einige Jahre zurückgehen. Im Lauf der 1960er Jahre kam es innerhalb der katholischen Kirche bekanntermaßen zu einem Reformprozess, der neben vielen anderen Feldern auch die Priesterausbildung betraf. Die entsprechenden Reformen innerhalb der Erzdiözese München und Freising führten dazu, dass besonders am traditionsreichen geistlichen Bildungsstandort Freising mehrere Einrichtungen geschlossen wurden: 1968 das Priesterseminar (1826 gegründet); im selben Jahr die Philosophisch-theologische Hochschule (1834 gegründet); 1974 schließlich das Knabenseminar (1828 gegründet). Die Schließungen riefen in Freising größte Besorgnis, aber auch heftigen Protest hervor. Wie schon im frühen 19. Jahrhundert, in den Jahren der Mediatisierung und der Säkularisation (1803) beziehungsweise des Konkordats (1817) und der Verlegung des Bischofssitzes nach München (1821), sah sich die Stadt wiederum mit einem dramatischen Bedeutungsverlust konfrontiert. Die Einrichtungen mit ihren renommierten Wissenschaftlern, die zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt maßgeblich und auf hohem Niveau beitrugen, gehörten fest zum Selbstverständnis Freisings.

Die Erzdiözese München und Freising, allen voran Erzbischof Julius Kardinal Döpfner, wirkte dem drohenden Bedeutungsverlust entgegen: Mit der Errichtung des Bildungszentrums im Residenzgebäude (ehem. Priesterseminar) 1968 und der Gründung des Diözesanmuseums im ehemaligen Knabenseminargebäude 1974, das der Kardinal bereits 1972 zugesagt hatte, wurde der Domberg neu belebt. Die Etablierung des Diözesanmuseums auf dem Freisinger Domberg folgte dabei freilich einer historischen Logik, da der Grundstock der Sammlungen Mitte des 19. Jahrhunderts im geistigen Umfeld von Priesterseminar und Lyzeum entstanden ist und räumlich seit jeher in Freising konzentriert war.

Mit dem "Versprechen" Kardinal Döpfners, wie es Gerhard Rachals in seinem Bericht erwähnt, hat Freising ohne Zweifel ganz großes Glück gehabt. Nicht nur, dass mit dem Museum - und auch mit dem Bildungszentrum - das traditionsreiche kulturelle Engagement der Diözese auf dem Domberg erhalten blieb. Es wurde im Lauf der gut vier Jahrzehnte seines Bestehens zu einem international renommierten Kulturbetrieb, der ganz wesentlich zur Außenwahrnehmung, aber auch zum Eigenbild Freisings beiträgt. Die bisherigen Direktoren/in Sigmund Benker, Peter B. Steiner, Sylvia Hahn und Christoph Kürzeder haben mit ihren ausgezeichneten Ausstellungen Kulturarbeit stets höchster Qualität geleistet - ein unbezahlbares Gut für Freising!

Im Hinblick auf verschiedene Diskussionen im Rahmen der aktuellen Domberg-Erneuerung bleibt zu hoffen,, dass alle Seiten wieder zusammenfinden und zu einem für den Standort Freising guten Ergebnis kommen. Und wie man sieht: Auch in den 1960er Jahren gab es Spannungen zwischen Stadtpolitik und Ordinariat - und zwar ganz anderen Ausmaßes als heute; am Ende hat man zu einem gedeihlichen Miteinander zurückgefunden. Vielleicht ist 2021, wenn das programmatisch und baulich erneuerte Diözesanmuseum wiedereröffnet hat, in der Presse zu lesen: "Das neue Diözesanmuseum bedeutet eine enorme Aufwertung für Freising. Versöhnung der Domstadt mit der Bistumsleitung...".

Bestand: Stadtarchiv Freising, Fotosammlung.
Autor: Florian Notter
Literatur:

Benker, Sigmund/ Steiner, Peter B.: Diözesanmuseum Freising (Museumsführer), Regensburg 1977.
Steiner, Peter B.: Diözesanmuseum Freising. Christliche Kunst aus Salzburg, Bayern und Tirol. 12. bis 18. Jahrhundert (Kataloge und Schriften des Diözesanmuseums für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising 2), München 1984.
Steiner, Peter B.: Diözesanmuseum Freising (Museumsführer), Braunschweig 1985.


 

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